17
Okt
2008

Premiere an bekannter Spielstätte

Gerade neulich waren wir zum ersten Mal auf einem deutschen Spielplatz.
Sie wissen schon: feinstaubschwangerer Sand, tropfnasses Herbstlaub, feuchtmorsche Holzpoller, das komplette Programm.
Und ich muss schon sagen:
Henri hat's geschmeckt!
Ist aber auch wirklich schwer, einem knapp 1-Jährigen den Unterschied zwischen Schippchen und Löffel, zwischen Sand-Blätter-Zweig-Mix und Müsli, zwischen Reiswaffel und Mulchriegel zu erklären. Vor allem, wenn man die Wahnsinnsgeschwindigkeit bedenkt, mit der all diese Naturprodukte in diesem kleinen Mund verschwinden.
Apropos Mund: Sagte ich schon, dass der Lütte mittlerweile vier Zähne hat? Zwei oben, zwei unten. Kein Knöchel, keine Wade, kein Handrücken ist mehr vor dem Haps-Hasen sicher!
Er sucht sich aber auch andere Opfer.
Auf dem Spielplatz unseres Vertrauens (komplett umzäunt – sieht nach Guantanamo aus, aber Sie werden das zu schätzen lernen, sobald die Kleinen mobil werden), also auf diesem Spielplatz befinden sich neben diversen Spielgeräten auch ein paar kalbsgroße Steine im Sand, zum drauf Klettern und runter Plumpsen oder einfach als Deko. Und was macht unser kleiner Großer? Kaum dass er sich durch das Erd- und Pflanzenreich-Büffet gemümmelt hat, fällt er mit einem Urschrei diesen Findling an! Ich konnte ihn gerade noch zurückhalten, bevor er seine Zähne in die Marmorkruste schlagen konnte.
Was ich an Henri so schätze: Er scheut auch keine größeren Gegner.

14
Okt
2008

Unten drunter und zurück

Ja, hallo. Ist ein Weilchen her, ich weiß.
Aber glauben Sie, ich verkünde hier großartig VORHER, dass wir für 5 Wochen nach Australien fliegen? Am besten noch unter Angabe der Adresse und aller Geheimverstecke für Wertsachen?! Darauf lauert die Einbrecher-Mafia-Gemeinde doch nur!
Anyway, wir sind wieder da, und hier kommen gleich meine 10 ultimativen Tipps für Fern-Flugreisen mit Kleinstkindern:
- Sie fliegen mehr als 12 Stunden? Buchen Sie einen Zwischenstopp mit Übernachtung! Den üblichen Komfort (Bordkino, Spielekonsole, Rotwein, Schläfchen) können Sie knicken, und auch Ihr Kind wird schnell merken, dass ein Airbus nicht das großartige Spielzeug ist, nach dem er zunächst aussah. Folge: Alarm. Spätestens nach der 10. Stunde werden Sie sich wünschen, dass die Maschine abstürzt, einfach damit Ruhe ist. Sie werden den Crash herbeisehnen und ihn sich in allen Farben ausmalen – und das ist ein Gemütszustand in dem Sie nicht allzu lange verweilen wollen, glauben Sie mir!
- Nehmen Sie ausreichend Spielzeug mit – und zwar ins BORDGEPÄCK! Sie werden es brauchen.
- Vertrauen Sie nicht auf das von den Airlines vollmundig angekündigte "Baby Meal". Für Babys gibt es meist nur zwei Sorten wässrigen Gläschenbrei. Besser die Lieblingsgläschen Ihres/r Kleinen mitnehmen, das ist trotz Sicherheitswahn-bedingten Flüssigkeitsverboten meist kein Problem. Wichtig: Frühzeitig den Flugbegleitern zum Erwärmen geben , an Bord gibt es keine Mikrowelle, nur laues Wasserbad!
- Buchen Sie für Ihr Kind nur dann einen Sitzplatz, wenn Sie ihn wirklich benötigen. Für Henri reichte das "Baby Bassinette" vollkommen aus. Er schlief darin bequem – und wenn er wach war, krabbelte er eh herum oder bekletterte seine Eltern. Wofür Sie das Geld, das Sie am Sitzplatz sparen, ausgeben sollen? Mehr Spielzeug.
- Bringen Sie die Dinge gegenüber Mitpassagieren offen zur Sprache. Vertrauen Sie nicht darauf, dass sich eventuelle Sitznachbarn in einem halbleeren Flieger von selbst auf einen anderen Platz setzen. Manche Menschen suhlen sich lieber im Selbstmitleid und rollen über das unvermeidliche Kindergeschrei die Augen, als selbstinitiativ die Stewardess auf mögliche freie Sitze anzusprechen. (In unserem Fall blieb die Dame auf ihrem Platz in der 3er-Reihe neben uns sitzen, obwohl sie nur eine Reihe weiter nach hinten hätte wandern müssen, um diese ganz für sich zu haben. Wenn sie nicht gerade die Augen verdrehte, lutschte sie Tabletten gegen ihre Halsentzündung, die wir jetzt auch alle haben.) Ein freundliches: "Wollen Sie sich nicht lieber in die freie hinter uns setzen?" löst viele Probleme, die Sie nicht haben müssen.
- Nehmen Sie kein Buch mit. Schauen Sie gar nicht erst ins Filmprogramm. Sie lesen ja auch sonst nicht das Konzertprogramm von New York, um zu sehen, was Sie alles verpassen oder?
- Versuchen Sie nicht, alles anders und besser und mitpassagierverträglicher zu machen als die Eltern, die Ihnen auf Ihren früheren Reisen als kinderloser Single mit ihren tobenden Bälgern so auf den Geist gingen. Es wird Ihnen nicht gelingen und setzt Sie nur unnötig unter zusätzlichen Druck. Denken Sie einfach daran: Sie SIND jetzt diese Eltern – und die kinderlosen Singles werden Sie eines Tages verstehen, wenn sie selbst Kinder haben. (In der Zwischenzeit haben die kinderlosen Singles als Entschädigung das Filmprogramm, den Rotwein, die Freiheit eines echten Urlaubs, jede Nacht 9 Stunden Schlaf und jede Menge Konzerte in New York.)
- Warten Sie mit dem Wickeln nicht zu lang. Besser üben Sie das Hantieren im ultra-engen Flugzeug-WC ein paar Mal unnötig, als untrainiert mit einer berstend vollen Windel am Kind dort zu scheitern. Kleiner Tipp: Nehmen Sie ein kleines Spielzeug mit, um den Kleinen ein wenig zu beschäftigen, sonst rollt er sich im Nu von der winzigen Wickelfläche. (Zur Not tut es auch einer der Pappbecher neben dem WC-Spiegel.)
- Wechseln Sie sich mit Ihrem Partner/Ihrer Partnerin bei den Mahlzeiten ab. Gleichzeitig babysitten und essen – das wird nix.
- Sehen Sie auch das Positive: Noch nie waren Ihnen Turbulenzen (also die außerhalb des Flugzeugs) so egal!

5
Sep
2008

Let's have a ball!

Es hat sich zwar noch niemand beschwert, aber ich entschuldige mich trotzdem schon einmal: Die Einträge werden immer seltener, das stimmt.
Die fetten Zeiten sind vorbei.
Die Zeiten, da man ruhiger Hand und ungehetztem Blick neben der schnarchenden Wiege am Rechner sitzen konnte und ein paar Apercus zum Besten geben durfte, umformulierend vor sich hingrübeln und mitten in der Zeile verweilen konnte... Hach!
Heute nimmt man dagegen jedes Wort das gerade kommt. Was irgendwie passt, um die Umstände auch nur radebrechend zu beschreiben wird angewandt, damit man rechtzeitig wieder am Start ist, wenn der kleine Runner wieder mal eine offene Schublade gefunden hat.
Neben einem schlafenden Vulkan lässt sich ja auch leichter Postkarten schreiben.
Das Schreiben wird also weniger, aber dafür auch ein bisschen schlechter. ;-)
Daran wird sich auch in den kommenden Wochen nichts ändern, eher im Gegenteil: Es wird schlimmer.
Es ist, wie bereits einmal erwähnt, eine ständige Jagd, die all unsere Konzentration, Präzision und Schnelligkeit erfordert. Jeder muss auf den Punkt fit sein, um in diesem Wettlauf um offene Türen und gefährliche Haushaltsfallen bestehen zu können.
Aber es gibt auch diese ganz großen, grandiosen Momente, wo mein kleiner Sohn mich zum Lachen bringt wie es sonst keiner vermag. Wo ich mich kieksend, schwitzend, geiernd auf dem Boden wälze und gar nicht mehr aufhören kann.
Zum Beispiel gestern.
Da fand Henri tief unten in seiner Spielzeugkiste einen kleinen roten Gummiball, keine Ahnung, wo der plötzlich herkam. Er war in etwa so groß wie ein Tischtennisball, nur viel weicher. Und was soll ich sagen: Wir hatten ja immer Probleme, für Henri einen Schnuller zu finden, also einen, den er nicht nach drei Minuten desinteressiert in die Ecke pfefferte.
Den haben wir jetzt.
Henri stürzte sich hechelnd auf diesen Ball, stopfte ihn sich sogleich ansatzlos in seinen kleinen Mund (was in etwa so ist, als würde sich ein Erwachsener einen ganzen Apfel in den Mund stopfen).
Und dann lachte er.
Grinste mich ballrot und rund freudestrahlend an, prustete, an den Seiten des Balls vorbei, seinen Glückssabber in die Welt und wollte gar nicht mehr von seinem neuen Kumpel lassen.
Ich hätte mich nicht nur wegschmeißen können, ich habe mich weggeschmissen vor Lachen. Herrlich. Hatten wir Spaß. Henri mit dem Ball und ich beim Zusehen.
An alle Mahner und Warner, die jetzt auf den Plan treten, um vor dem Verschlucken und Ersticken zu warnen: Jaja, schon gut. Wir lassen Henri und den Ball nicht allein. Und überhaupt: Versuchen Sie doch erst einmal, den ganzen Apfel herunterzuschlucken, den sie da im Mund haben!

30
Aug
2008

Der Sprachstorch oder: Woher die kleinen Worte kommen

Fragen Sie sich auch manchmal, woher bestimmte Redewendungen kommen?
Bevor Sie sich an ein Germanistik-Institut wenden, beobachten Sie Ihr Baby.
Das ist auch so eine Art Sprachforschungslabor.
Ein Beispiel gefällig?
Immer gern.
Henri greift oft und gern nach Gegenständen in seiner Umgebung, um sie zu befühlen. Bei Gegenständen, die er nicht selbst erreicht, macht er durch Gequengel auf sich aufmerksam, bis wir sie ihm reichen. Ist er dann mit dem Betasten fertig, drückt er die Teile – egal ob Tasse, Zahnbürste, Spielzeugauto, Kochlöffel... – über seinen Bauch zwischen den Beinen hindurch nach unten weg, bis sie aus seinem Gesichtsfeld verschwunden sind, entweder runtergefallen oder weggestrampelt. Das Gleiche passiert, wenn man ihm etwas gibt, was er gar nicht haben wollte oder was ihm nicht gefällt (zum Beispiel eine Flasche mit zu kalter Milch): Schwupp nach unten, durch die Beine, weg das Teil!
Preisfrage: Um welche Redensart handelt es sich hier?
Ganz einfach:
Diese Dinge sind bei Henri einfach völlig UNTEN DURCH!
Alles klar?
Bis demnächst mal wieder im Vaterzeitschrift-Sprachlabor.

27
Aug
2008

Die eigene, ferne Welt

Hallo, da sind wir wieder.
Ach, hatte ich das nicht erzählt?
Wir waren für zwei Wochen im Urlaub, auf dem Planeten Sla-Göcks.
Durch irgendeine Verschiebung im Raum-Zeit-Gefüge konnten wir da relativ günstig hinreisen, Interstellarflug mit Vollverpflegung ohne Kinderaufpreis.
Der Planet an sich ist nicht großartig anders als die Erde. Gut, die Leute dort haben alle blaue Haut und keine Haare, dafür aber bunte Augen, einen dritten Arm hinter dem Kopf und sehr gute Manieren. Wir hatten zunächst große Probleme mit der Verständigung – bis Henri anfing in seinem Baby-Kauderwelsch zu brabbeln.
„Ooouuuaahoo, tglll, nanananan“, sagte er, und: „Hrrrmmmmbbsch.“
„Tglll, nananan“, antwortete ein azurblauer Sla-Göcksianer, machte mit freundlichem Lächeln eine tiefe Verbeugung und bat uns mit einer schwungvollen Geste in sein aus großen roten, blauen und gelben Holzklötzen gebautes Haus. Er deutete mit beiden Händen auf sich selbst und sagte: „Tla-Nnng.“ Was dann wohl sein Name war.
Henri kiekste vor Vergnügen, zeigte auf typische architektonische Merkmale und rief immer wieder: „Sla-Göcks.“ Und der Sla-Göcksianer nickte zufrieden.
Dann fragte Tla-Nnng: „Giiiii pffffrrr haaiiiooouu?“ Wir Eltern zuckten ratlos mit den Schultern. Henri dagegen antwortete souverän: „ Hiaa dedadaa. Ouuuh, ifffa.“
Tla-Nnng klatschte vor Freude in alle drei Hände (immer abwechselnd mit den beiden äußeren in die mittlere) und winkte uns dann einen Korridor entlang, an dessen Ende er uns ein großes Schlafgemach mit großen Aussichtsfenstern auf die Spielteppichwiesen von Sla-Göcks präsentierte. „Wahnsinn“, sagte ich. „Hirrbfffta, tglll“, dankte Henri überschwänglich unserem Gastgeber, der beschämt auf seine kreisrunden Füße sah.
Die zwei Wochen in Tla-Nnngs Haus vergingen wie im Interstellarflug. Der Abschied war herzlich, von zwei- bis dreiarmigen Umarmungen und regenbogenbunten Tränen begleitet. Auf dem Rückflug grinste Henri sehr zufrieden vor sich hin, ein Wissen jenseits unseres Wissens hinter seiner kleinen Eierschalenstirn.
Seine Mutter war völlig fassungslos. Sie konnte immer noch nicht glauben, dass wir gerade auf einem Planeten waren, wo alle Bewohner sich in Babysprache unterhalten. „Das heißt, dass er tatsächlich die ganze Zeit mit uns spricht, dass er uns etwas zu sagen versucht. Und wir haben das als Gebrabbel abgetan. Oh Gottogottogott!“
„Tglll, nananan“, sagte ich.

15
Aug
2008

Der schafft mich im Schlaf!

Man bekommt ja so viel zurück.
Auch so ein Satz.
Aber das Schlimme an solchen Allgemeinplätzen ist doch, wenn sie sich mit Wahrheit füllen – und wir Neuväter plötzlich genau so infantilisiert-romantisch daherschwallern wie die Altvorderen.
Also gut, es stimmt.
Aktuelles Beispiel: Ich könnte vergehen, wenn mein Kleiner sich zum Schlafen auf die Seite dreht (ja, ab und zu schläft er auch).
Das macht er nicht von Beginn an, sondern erst seit ein paar Monaten, und ich finde das ja so was von entzückend.
Früher bedeutete schlafendes Kind: Schlapper, lebloser Beutel mit Zunge zwischen den Lippen. Der kleine Mann wirkte wie komplett ausgeschaltet, vom Stromnetz abgekoppelt, vom Server getrennt.
Aber jetzt ist Henri ein richtiger aktiver Schläfer.
Er rollt sich zum Einschlafen mit Schwung auf die Seite, pupst dabei auch schon mal gerne, legt das untere seiner beiden Ärmchen lässig auf die Matratze und lässt das andere vor der Brust baumeln. Ja, das geht, bei so Kleinen sind die Arme ja nicht so lang, Henri weiß bis heute nicht, wie sein Kopf sich von oben anfühlt. Dafür sind aber auch die Schultern wiederum nicht so breit (sondern nur so breit wie der Kopf dick ist), was den Vorteil hat, dass er den Kopf einfach so seitlich auf die Matratze legen kann, ohne ihn abzuknicken oder ein Kissen zu benötigen.
So liegt der kleine Körper da, ein Bein angezogen, wie im Sprung gefroren, und schnorchelt vor sich hin, wilden Traumabenteuern entgegen... – herrlich.
Da könnte man glatt vergessen, dass er große Teile der Nacht eben nicht schlafend verbringt sondern krakeelend und gewandt parlierend, dabei aufrecht kniend, an den Gittern seines Kinderbettchens rüttelnd wie einst Gerd Schröder an den Toren des Kanzleramts.
Hach, isser nich’ süüüß!

12
Aug
2008

Krisenherd/Herdkrise

Der Innenminister hat Recht.
Es gibt keine 100%-ige Sicherheit.
Auch im Haushalt nicht.
Das erhöhte elterliche Sicherheitsbedürfnis hat hier gleichermaßen mit dem geringen Risikobewusstsein des Kindes und seinen zielgenauen Detektionssensoren für häusliche No-Go-Areas zu kämpfen.
Wenn dann allerdings auch noch die von den Eltern angeschafften Sicherheits-Gadgets selbst zur Gefahr werden, brennt der Baum lichterloh.
Erst kürzlich habe ich für die – bereits in früheren Einträgen erwähnte – Schublade unter dem Herd einen Schnappriegel angeschafft (Drogeriemarkt, etwa 2 Euro), der von Henri definitiv nicht zu öffnen ist. Die zuvor angebrachte Anti-Fingerklemm-Vorrichtung hatte den Vorteil, dass sie theoretisch sehr gut funktionierte, weil sie das Schließen der Schublade per Gummibolzen verhinderte. Der Nachteil: Henri fand binnen Tagen heraus, wie der Gummibolzen zu entfernen war. Das wurde routinemäßig zu seiner ersten Amtshandlung, sobald er die Schublade geöffnet hatte. Henri eins, Anti-Fingerklemm-Vorrichtung null.
Der Schnappriegel nun hielt sehr gut, was er versprach: Die Schublade ging gar nicht erst auf. Dafür war der Riegel an zwei Stellen fixiert und durch ein Schnappschloss zu öffnen. Die eine Stelle war die Schublade, die andere die Herdklappe.
Der Riegel ist sehr stabil.
Als ich gestern die Herdklappe öffnete, um einen dort eingelagerten Wok aus dem (kalten) Ofen zu holen, vergaß ich natürlich den Riegel.
Der Riegel hielt.
Dafür flog die Ofenklappe mit einem Knall aus der Verankerung. Und so stand ich da, mit einer nur noch an einem Scharnier baumelnden Metalltür in der Hand und einem abenteuerlustigen Kind im Anflug, das ob der sich bietenden neuen Spielstätte (offener Ofen = Top Spot No-Go-Area) vor Freude quiekte. In größter Eile versuchte ich, das Scharnier wieder in seine Verankerung zu rammen und war wegen dessen elefantentauglicher Federung binnen Sekunden nass geschwitzt (blaue Jeansflecken an der Wand zeugten hinterher von meinem Kampf). Also erst einmal Klappe loslassen, Henri drei Meter nach hinten manövrieren, neuer Ramm-Versuch. Schlägt fehl, wie sechs oder sieben weitere. Schweißlachen, Verzweiflungsschreie, Rückenschmerzen.
Immer wieder rückt General Henri auf meine verlorene Stellung vor und landet neue Attacken. Immer wieder trage ich ihn weg, setze ihn schließlich in seinen Babystuhl. Natürlich wurde die Genfer Konvention vollständig beachtet.
Irgendwann muss ich trotzdem einsehen: Es geht einfach nicht, Herdklappe eins, Papa null.
Ich gebe meine Kochpläne auf, verlasse das Schlachtfeld mit General Henri auf dem Arm und berichte der Mutter telefonisch von meiner Niederlage.
Als die später nach Hause kommt, findet sie in der Bedienungsanleitung für den Herd eine genaue Beschreibung, wie sich mit zwei einfachen Handgriffen und OHNE JEGLICHEN EINSATZ KÖRPERLICHER KRAFT die Herdklappe herausnehmen und wieder einsetzen lässt.
Am grünen Tisch habe ich also gleich nochmals verloren.
Herdplatte zwei, Papa null.

11
Aug
2008

Der kleine Diktator

Mein Sohn ist mir unheimlich.
Sitz da keine 10 Monate alt vor dem großen Spiegel am Wandschrank, und hält Reden wie ein kleiner Stalin oder sonstige wahnsinnige Schnurrbartträger.
So richtig mit emporgereckter Faust, überschlagender Stimme, unterstreichenden Handkantenschlägen und kaltem Blick.
Gut, die Inhalte sind schwer verständlich – „Ifffzsch. Üddel-pfffffrrr, walaa. Giiie-kchee“ – aber darum nicht weniger eindringlich.
Alles klingt nach: Auf, voran, jetzt erst recht. Erst wir, dann vielleicht die anderen.
Henri Arthur, der Diktator.
Sofort regt sich bei mir das schlechte Gewissen:
Ist der Junge irgendwie an Nazi-Videos rangekommen?
Habe ich als Vater in dem Versuch versagt, mein Kind zu einem freiheitsliebenden Demokraten zu erziehen?
Wird mein Sohn ein stumpfer Anhänger brauner Fäuste-, Knüppel- und Parolenschwinger, schwingt er gar selbst welche?
Sofort habe ich seinen Schrank nach einschlägigen Klamotten und Symbolen untersucht – aber zum Glück von Springer-Stiefeln Größe 18 und Bomberjacke in Größe 74 keine Spur. Nur verdächtige Bücher habe ich gefunden: „Holger, der Hund“ Verdächtig viele H’s, oder? Oder hier: „Oh wie schön ist Panama“ – das klingt doch nach Eroberungsgelüsten unverbesserlicher Deutschkolonialisten.
Was mache ich nur, was mache ich nur?
Ich muss verhindern, dass der Junge auf die falsche Bahn gerät. Genau: Zunächst kommt die braune Nicki-Jacke weg.
Seine Mutter meint, ich übertreibe ein wenig.
Paranoia, meint sie.
Aber es heißt doch immer: Wehret den Anfängen!
Aber okay, ich beruhige mich erst einmal.
Ein Trost bleibt mir wenigstens:
Seine Glatze ist bald zugewachsen.
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