20
Nov
2008

The End of the Elternzeit

Man sagt zwar it ain't over 'til it's over, aber da heute definitiv der letzte Tag meiner 7-monatigen Elternzeit ist, sage ich mal: This is the Ende, beautifulle Friende. Und um dieses vergangene halbe Jahr in Würde und Glamour zu beenden, gibt es zum Abschluss noch ein Interview mit mir selbst.

Herr Clasen, nach sieben Monaten geht heute Ihre Elternzeit zu Ende. Würden Sie diese Erfahrung Ihren Geschlechtsgenossen anempfehlen?
Was sind denn Geschlechtsgenossen? Klingt nach SPD im Swinger-Club. Na egal. Klar kann ich das Projekt empfehlen. Besonders wegen der schönen Gerüche, der intellektuell höchst förderlichen Beanspruchung, der himmlischen Ruhe, den diversen Möglichkeiten auszuschlafen und zu regenerieren – und natürlich wegen der Kohle.

Sie sind ironisch.
Und Sie sind sehr, sehr, sehr, SEHR scharfsinnig. Wie haben Sie das bloß gemerkt. Na, egal. Es wäre jedenfalls ratsam, wenn Bewerber eine wichtige Grundvoraussetzung mitbrächten.

Und die wäre? Ein pädagogisches Praktikum?
Nö. Ein eigenes Kind natürlich.

Sie sind mir ja ein Witzbold.
Nicht nur Ihnen.

Sie wirken, nun ja, etwas angespannt. Um nicht zu sagen: pissig. Setzt Ihnen die Sache vielleicht mehr zu, als Sie sich selbst eingestehen wollen?

Was soll mir schon zusetzen? Die Unausgeschlafenheit? Meine 800 neuen Gesichtsfalten? Der Schrei-induzierte Tinnitus auf beiden Ohren? Die Tatsache, dass ich seit Monaten dem Gedudel und Gesuse von Liedgutfundamentalisten und Musikpäderasten, äh, Verzeihung: -pädagogen ausgesetzt bin? Oder die Rückenschmerzen vom täglich 5-maligen Schrubben des Küchenfußbodens, damit die versprengte Kindernahrung nicht zu Zement trocknet?

Und wie steht es mit morgen, der Rückkehr in den Job?
Ach, das. Ist doch alles total easy. Ich hänge den ganzen Tag bei der Arbeit ab und mache mich locker, abends komme ich nach Hause, und der Lütte ist im Bett. Ist doch prima. Nee, echt. Also ich kann da total gut loslassen, macht mir überhaupt nichts aus. Mal Feuer?

Äh... Sie rauchen? Ich dachte, Sie hatten aufgehört. Hier. Nun zittern Sie doch nicht so. Bitte.
Danke. Ist nur gelegentlich. Also, eigentlich bloß während der letzten Wochen, während der Eingewöhnung bei der Tagesmutter. Sie glauben ja gar nicht, wie schwer das ist...

Verstehe. Die emotionale Belastung, Ängste um das Kind...

Wie bitte? Quatsch. Ich meine, natürlich fehlt mir der Kleine. Total. Aber vor allem ist es dieses komplette Gefühl der Nutzlosigkeit. Kaum gehe ich bei der Tagesmutter aus der Tür, bricht diese ganze Freiheit über mich ein, diese unglaubliche Masse an freier Zeit, dreieinhalb Stunden, da weiß ich ÜBERHAUPT NICHT WAS ICH MIT MIR ANFANGEN SOLL! Hab schon überlegt, ob ich einen Putzjob annehme...

Trinken Sie doch einen Kaffee, machen Sie es sich nett...
Noch mehr Kaffee?! Sind Sie wahnsinnig? Ich komme doch ohnehin schon kaum zum Schlafen. Und von wegen es sich nett machen: MEIN KIND IST DA DRAUSSEN IRGENDWO GANZ ALLEIN OHNE MICH, UND ICH SOLL ES MIR NETT MACHEN? SIE UNMENSCH!!!

Aber Sie haben doch die Tagesmutter...?

Woher wissen Sie das, spionieren Sie mir etwa nach?
Lassen Sie mich und meine Familie in Ruhe! BLEIBEN SIE VON MEINEM KIND WEG, SIE!!!

Ist ja gut. Mein Gott, ein echtes Elternzeit-Wrack. Wie wär's, wenn Sie sich einfach mal entspannen und...
ICH BIN T-O-T-A-L ENTSPANNT, JA?! Mein Kind ist bei der Tagesmutter, ich habe frei, alles total S-U-P-I-E! Wenn nur diese Gesichtszuckungen nicht wären, die Atemnot und die Schmerzen in der Brust... Haben Sie noch mal ne Kippe? Packung ist schon wieder leer.

Äh, ja, hier. Um noch einmal auf meine Eingangsfrage zurückzukommen: Welche Erfahrungen aus diesen letzten Monaten sind für Sie die kostbarsten?
Was wollen Sie hören? Dass es mich total weitergebracht hat, jetzt einhändig Windeln wechseln zu können? Das hilft mir ab morgen in meinem Job ja enorm. Oder dass ich weiß, mit wie wenig Schlaf der Mensch tatsächlich auskommen kann? Kann er gar nicht. Oder dass ich einen handelsüblichen Kinderwagen mit verbundenen Augen innerhalb von 30 Sekunden komplett zerlegen und wieder zusammensetzen kann? Nützt gar nichts, weil das Drecksding danach immer noch nach links zieht! Oder die Erfahrung, dass 99 Prozent aller Nutzer von öffentlichen Verkehrsmitteln unter eklatanten Sehstörungen leiden? Sie sind kinderwagenblind. Nutzlose Erkenntnis, solange das Mitführen von Vorschlaghämmern dort verboten ist.

Oje, ich merke, Sie sind nicht wirklich in der Verfassung für ein Interview. Vielen Dank für das Gespräch.

(Hier schaltet der Interviewer das Aufnahmegerät scheinbar ab, lässt es aber heimlich weiterlaufen.)
Bitte, gerne.

Jungejunge, das hörte sich ja grausam an. War es wirklich so schlimm?
Nein, es war großartig.

Häh, wie bitte?
Ja, es war fantastisch.

Und Sie würden es wieder tun?
Jederzeit.

Und auch weiterempfehlen?

100 %. Wenn es finanziell irgendwie machbar ist, sofort. Jedem. Die Aufgaben sind schaffbar. Emotional ist es durch nichts zu überbieten. Und die Bindung zum Kind ist danach eins A. Perfekt.

Und warum haben Sie dann gerade so geklungen, als ob...
...es die Hölle gewesen wäre? Gegenfrage: Was glauben Sie, wer das hier alles liest?
Ich gebe Ihnen da mal ein paar Beispiele:
1. Meine Frau. Wenn die liest, dass das alles supereasy und entspannt ist, glaubt die doch sofort, der Bursche kann sich mal ein bisschen mehr strecken, so geht's ja nicht. Die will doch sofort Zwillinge on top!
2. Meine Kollegen. Was denken Sie, wie die mich empfangen, wenn sie hier etwas lesen, das nur entfernt danach klingt, als hätte der Kollege Clasen sich gerade einen 7-monatigen Wellness-Urlaub im Kinderparadies gegönnt?
3. Mein Chef. Der glaubt doch, er kann mir gleich ein paar Zusatzschichten aufbrummen. Ist doch grunderholt, der Papa Clasen.
4. Die Familienministerin. Die stutzt doch gleich das Elterngeld zusammen und verpflichtet uns Väter zusätzlich zum abendlichen Sozialdienst.
5. Mein Sohn. Irgendwann bekommt er das hier in die Finger, und dann soll er bloß nicht denken, das wäre alles ein verdammter Spaziergang gewesen. Der mäht mir doch nie wieder den Rasen!
;-)

So far, so gut.
Es war wirklich eine geile Zeit.
Ich muss mal sehen, in welcher Form und in welchen zeitlichen Abständen ich dieses Blog fortführen kann. Aber wo es soviel Spaß gemacht hat, kann ich mir nicht vorstellen, dass ich ganz damit aufhöre. Oder was meint ihr?
Also, bis bald hoffentlich!
momoseven - 20. Nov, 12:31

Hallo!

Es wäre wirklich schade, nichts mehr von Dir zu lesen, Du hast wirklich einen genialen Schreibstil, und ich musste oft herzlich lachen, auch gerade eben wieder. Jedenfalls alles Gute zum Arbeitsbeginn!
Lieber Gruss, eine treue Leserin

5mal5 - 20. Nov, 12:55

Wünsche dir auch einen schönen Start in den Arbeitsalltag. Wäre toll weiter von dir zu lesen. Ob hier oder an anderer Stelle.

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Wünsche dir auch einen schönen Start in den Arbeitsalltag....
5mal5 - 20. Nov, 12:55
Hallo!
Es wäre wirklich schade, nichts mehr von Dir zu lesen,...
momoseven - 20. Nov, 12:31
The End of the Elternzeit
Man sagt zwar it ain't over 'til it's over, aber da...
Jens Clasen - 20. Nov, 11:50

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