23
Okt
2008

Happig Birthday

Heute betreiben wir ein wenig Sprichwort-Exegese.
Wohl jeder von Ihnen hat schon einmal den Ausspruch gehört (oder selbst vom Stapel gelassen):
"Ist doch kein Kindergeburtstag hier!"
Damit wird zumeist angespielt auf eine Diskrepanz zwischen getrunkenem und (nach Ansicht des Sprechers) standesgemäß gefälligst zu trinkendem Bier (Schnaps, Wein, Cognac o. ä.). Und gleichzeitig eine Erhöhung der Schlagzahl erzwungen, meist gefolgt von Weisheiten wie: "Nit lang schnacken, Kopp in'n Nacken!"
Ich möchte behaupten, keiner der Sprecher hat je einen Kindergeburtstag erlebt (außer denen in der eigenen Kindheit, und die verkommen ja meist durch die typische "Erase-and-redesign-memory"-Funktion in männlichen Köpfen zu 1A-Besäufnissen).
Dazu sage ich:
Mein Sohn ist gerade ein Jahr alt geworden.
An die Ahnungslosen: Danke für die Glückwünsche.
An die Wissenden: Danke fürs Mitleid.
Ich muss einräumen, dass ich eine durchaus harmlose Version eines Kindergeburtstagsfests erleben durfte (und im gleichen Atemzug Gott, Allah und der ganzen Bande dafür danken). Naturgemäß hat ein Einjähriger noch nicht so viele Freunde, einige der wenigen waren verreist. So gab es denn nur drei Gäste (plus zwei Mütter) zu begrüßen: eine Vierjährige, einen 13-Monater und eine Halbjährige. Hat aber gereicht.
Binnen Sekunden nach dem Aufprall hatten die Kinder, die sich irgendwie fortbewegen können, sämtliches Spielzeug aus dem Spiel- ins Wohnzimmer verschifft und dort gleichmäßig am Boden verteilt. Selbiges geschah bald mit dem Kuchen. Zu keinem Zeitpunkt gab es im anschwellenden Kieks-Kräh-Plärr-Quak-Schnatter-Brüll-Soundteppich auch nur ein Löchlein Ruhe. Frei nach dem Motto: Einer schreit immer.
Die nervengestählten Mütter saßen in diesem Meer des Lärms, in diesem wogenden Ozean der Unordnung mit Lächelmienen voller Seelenfrieden und belustigten sich über meine schwitzigen Hände, meine rollenden Augen und meine verzweifelten Versuche, das angeschwemmte Spielzeug-Krumen-Treibgut einzusammeln und so etwas wie eine stabile Uferlinie zu produzieren. Ich solle mich mal entspannen, hieß es. Das könne man ja hinterher aufräumen.
M-hm. Mann.
Ich entspannte mich nicht (soweit kommt's noch!), riss mich aber zusammen, versuchte einfach mal die Dinge positiv zu sehen. Also schaute ich mit hartem Nacken dabei zu, wie in unserem Wohnzimmer endlich mal Faustball gespielt wurde, wie unsere Bücher einen langersehnten Ausflug aus dem Regal machen durften (inklusive Seiten-Stretching und Cover-Dehnen), wie unser Fußboden durch Einstreuen von Blumenerde auf ein ganz neues Level der Wohnlichkeit geliftet wurde, und wie sich Legosteine, Plüschtiere, Rübli-Muffins, Ringelsocken und vier quietschglückliche Kinder auf dem Fußboden zu einer immer glücklicheren kugelnden Masse vereinten.
Und die ganze Zeit dachte ich in mich hinein: Ist das nicht schön? Ist-doch-schön! IST-DOCH-WUNDERWUNDERWUNDERSCHÖN, VERDAMMTE SCHEISSE!"
Irgendwann musste ich über mich selbst lachen, und dann ging's.
Hinterher räumte ich dann tatsächlich auf.
Für Henri und seine Gäste war es super. Endlich mal richtig Stimmung inne Bude, seine ersten Smarties und Teile eines Karotten-Muffins, drei neue Holzautos, viel Action und nur eine kleine Beule am Kopf: Eine stimmige Bilanz.
Nächstes Jahr wird trotzdem alles anders.
Noch besser.
Da erhöht der Papa rechtzeitig die Schlagzahl, und dann kugele ich mit.
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